In europäischen Verordnungen ist festgelegt, welche Informationen über die Nährwertqualität auf Nahrungsmitteln angegeben werden müssen. Der Nutri-Score vereinfacht diese Angaben über eine 5-stufige Skala von A bis E, die ampelartig mit Farben hinterlegt ist. A / grün ist gut, E / rot ist schlecht. Während eine Ampel eben nur das gelb in der Mitte kennt, gibt es beim Nutri-Score eben drei Zwischenabstufungen B, C und D.
Verantwortlich ist das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung in Kooperation mehrerer Staaten, wobei die französische Behörde Santé publique eine Sonderrolle gespielt hat und noch spielt. Sie ist Besitzerin der Marke Nutri-Score.
Ich könnte jetzt die Historie beschreiben, das Jahr der Einführung usw., aber - ist er denn überhaupt schon richtig eingeführt?
Im Prinzip kann man sagen, dass sich das Siegel noch nicht so richtig durchgesetzt hat. Es gab einige Kritik, und die wurde auch zum Teil erhört. Mit dem Beginn des Jahres 2024 ist nun ein aktualisierter Algorithmus, also Berechnungsvorschrift aktiv und ich tippe darauf, dass der Nutri-Score in diesem Jahr durchstartet.
Der Nutri-Score ist aktuell freiwillig (also im Gegensatz zu der verpflichteten Angabe der Nährwerttabelle). Aber es ist ein wenig wie bei einer Garantie: ein Unternehmen muss keine Garantie auf ein Produkt gewähren, aber wenn es dies tut, muss es sich auch an das Garantieversprechen halten.
D.h. wenn ein Unternehmen sich für die Angabe des Nutri-Scores entscheidet, muss der Score auch akkurat berechnet sein, so dass man sich darauf verlassen kann.
Produktklassen
Der Nutri-Score ist nicht für alle Lebensmittel gedacht. Ganz vereinfacht könnte man sagen, die "normalen" Lebensmittel im Supermarkt abseits der Gemüsetheke. Dabei gibt es die Klasse "Allgemein" sowie Klassen von Produkten, die eine etwas abweichende Berechnung haben. Das sind Getränke, rotes Fleisch, Käse und zugesetzte Fette / Öle.
Wie schon erwähnt, hat frisches Gemüse als "unverarbeitetes Produkt, das aus einer einzigen Zutat besteht" keinen Nutri-Score.
Man hätte den Super-Lebensmitteln "frisches Gemüse" auch einfach ein A mitgeben können, hat man aber nicht. Bei Mineralwasser hat man das so geregelt. D.h. der Nutri-Score wird nicht auf Basis der Regeln für Getränke berechnet, sondern ist einfach festgetackert mit dem Buchstaben A.
Der Vollständigkeit halber hier noch eine Liste von Produkten, für die der Nutri-Score nicht gilt, also neben Gemüse: rohes Fleisch, Honig, Kräuter, Gewürze, Salz, Lebensmittelzusatzstoffe, Hefe, Kaugummi und noch Einiges mehr.
Grundsätzliche Berechnung, also für die Klasse "Allgemein"
Der Berechnung liegt die Aufteilung der Aufteilung der wesentlichen Nährstoffen in zwei Klassen zugrunde: vereinfacht gesagt die Guten und die Bösen.
Energie (also die Kalorien, heutzutage in Kilojoule gemessen), Zucker, Salz und gesättigte Fettsäuren sind die Elemente, die man vermeiden sollte. Sie ergeben Strafpunkte. Man könnte nun einwenden, dass z.B. Salz überlebenswichtig ist. Ja, ist es, aber die meisten Personen nehmen zu viel davon zu sich. Und die Strafpunkte sind eben von der Menge abhängig. Unterhalb einer bestimmten Schwelle (bei Salz 0,2g pro 100g des Lebensmittels) gibt es keinen Strafpunkt, dann einen Strafpunkt bei weniger als 0,4g pro 100g usw. bis max. 20 Strafpunkte für Salz. Es gibt also eine Deckelung.
Bis zu 10 Strafpunkte gibt es für die Energie, 15 für Zucker und 10 für gesättigte Fette. Man merkt hier, Kalorien alleine (also Energie) werden nicht als das schlimmste Übel gesehen, und insbesondere die Kalorien alleine sagen nicht genügend über die gesunde Versorgung aus.
So, wir sind nun bei bis zu 55 Strafpunkten.
Jetzt kommen die Bonuspunkte ins Spiel: mit 7 Punkten für Proteine, 5 für Ballaststoffe und weiteren 5 für Obst, Gemüse und Nüsse. Natürlich auch wieder gestaffelt über eine Tabelle mit Schwellenwerten.
Eine Besonderheit gibt's: wenn die Strafpunkte 11 oder mehr betragen, werden die Bonuspunkte für Proteine nicht gezählt. D.h. man kann ein so fettiges, salziges, energiereiches Produkt nicht mit viel Eiweiß wieder besser machen. So jedenfalls die Nutri-Score Sichtweise.
Jetzt kommt die letzte Tabelle ins Spiel: Strafpunkte minus Bonuspunkte ergibt das Resultat in Punkten. Und das wird wiederum per Tabelle in die 5 Buchstaben A-E umgesetzt.
Sonderfall Käse
Eigentlich ist Käse einfacher als der allgemeine Fall. Denn die Rechnung ist identisch bis auf den einen Punkte der "Proteinregel". Diese wird bei Käse einfach nicht angewandt. Also: bei Käse werden die Strafpunkte wie im allgemeinen Fall berechnet. Dann werden die Bonuspunkte aller drei Elemente (also Proteine, Ballaststoffe und Obst/Gemüse/Nüsse) davon abgezogen, unabhängig von der Höhe der Strafpunkte.
Ein Beispiel: Gouda
Fangen wir mit den Strafpunkten an. Der Gouda hat einen Energiewert von 1585kj. Wir schauen in die oben abgebildete Schwellwerttabelle und finden, dass der Wert oberhalb der Schwelle ist, die es noch bei 3 Strafpunkten belässt (1340), aber unterhalb der Maximalschwelle für 4 Punkte (1675). Somit werden 4 Strafpunkte vergeben.
Nun zu den gesättigten Fetten. Käse ist fett. Er hat "Glück", dass es die Maximalpunktezahl von 10 gibt. Wenn man sich die Schwellwerte ansieht, gilt ja 1g = 1 Strafpunkt, aber eben nur bis maximal 10 Punkte. Die 21,7g des Goudas ergeben also diese 10 Punkte.
Ich will an dieser Stelle nicht detailliert auf die Kritik am Nutri-Score eingehen, aber mal zum Mitdenken: ein Produkt, dass genau die Hälfte der gesättigten Fette von Gouda hat und sonst identisch wäre, würde trotzdem keinen besseren Score erhalten.
Wenigstens hat unsere Gouda keinen Zucker, da gibt's also keine Strafpunkte für. Aber Salz. Mit 1,8g auch nicht so wenig. Der Käse findet sich damit etwa in der Mitte der Strafpunkt-Skala für Salz ein und kassiert 9 Punkte.
Womit kann der Käse nun bonus-punkten? Er hat keine Ballaststoffe und keine Obst/Gemüse/Nuss-Anteile. Bleiben die Proteine. Die 24,1g bringen hier die Maximalpunktzahl für Proteine von 7 ein. Das Endresultat lautet also:
Strafpunkte: 4 (Energie) + 10 (Fett) + 9 (Salz) ergibt 23
Bonuspunkte: 7 (Protein)
Die 23 abzüglich 7 ergeben 16 endgültige Punkte, die dann den Nutri-Score D ergeben. Drei Strafpunkte mehr, und es hätte nur zu der schlechtesten Wertung E gereicht.
Nochmals kurz zum allgemeinen Fall: wäre das Produkt nicht ein Käse, sondern ein anderes Produkt (natürlich auch nicht Getränke, Öl, rotes Fleisch), dann hätte noch die Strafregel gegriffen, dass bei mehr als 11 Strafpunkten die Proteine nicht zählen. D.h. die 7 Proteinpunkte wären nicht gewertet worden und das Resultat wäre 23, also E.
Der Nutri-Score Rechner
Für den Fall, dass man den Nutri-Score eines Produkts besser verstehen möchte oder ihn für ein Produkt errechnen möchte, auf dem er nicht angebracht ist, kann man den counting-beans Nutri-Score Rechner verwenden. Es ist ganz einfach. Man wählt die Klasse des Lebensmittel aus, in diesem Fall Käse. Dann gibt man die relevanten Nährstoffmengen ein, die auf der Verpackung aufgedruckt sind.
(das hier drüber ist nur ein Screenshot - zum Rechner bitte hier klicken)
Mit dem "Berechnen"-Knopf wird der Nutri-Score zusammen mit einer Erläuterung angezeigt, die die Strafpunkte (im Beispiel 23) und Bonuspunkte (7) angibt.
Resultat: Nutri-Score D
Es kommt zustande durch 23 Strafpunkte (rote Balken) und 7 Bonus Punkte (grüne Balken).
Darüber hinaus wird die Punkte-Situation mit einem sogenannten Wasserfall-Diagramm verdeutlicht.
Zunächst laufen rote Balken nach oben, und zwar für die vier ungünstigen Elemente Energie, Zucker, gesättigte Fette und Salz. Ein Balken fängt immer dort an, wo der vorherige aufgehört hat. Der obere Rand des vierten roten Balkens ergibt die Summe der Strafpunkte, im Beispiel die 23.
Dann geht's (hoffentlich) mit den grünen Balken für die günstigen Elemente wieder nach unten. Im Beispiel leider nur mit Protein, immerhin mit stattlichen 7 Punkten. Der weiße Pfeil im blauen Quadrat zeigt die resultierende Punktzahl auf der Skala rechts an, die die Bereiche für A-E visualisiert. Man kann damit ein Gefühl für die durchaus vorhandenen Abstufungen erhalten.
Der Nutri-Score soll ja bewusst stark vereinfachen und die komplexe Nährstoffsituation auf 5 Buchstaben herunterbrechen. Wer sich aber mit einem Lebensmittel beschäftigt, für den kann es nützlich sein, etwas genauer zu verstehen, wie die Punktesituation ist.
Weiterer Sonderfall: rotes Fleisch
Wir haben mit Käse nun einen Sonderfall der allgemeinen Regel betrachtet. Jetzt kommt ein weiterer: rotes Fleisch. Nun, was ist eigentlich rotes Fleisch? Es handelt sich um eine ziemlich umfangreiche Kategorie, die insbesondere die folgenden Sorten umfasst: Rindfleisch, Schweinefleisch, Lamm, Wild, aber auch Pferdefleisch, Würstchen und Innereien.
Einfacher ist die Definition anders herum: rotes Fleisch ist alles außer Geflügel, das nämlich weißes Fleisch ist. Mit der Separierung wird der Tatsache Rechnung getragen, dass rotes Fleisch als ungesünder gilt als weißes. Es schneidet generell eher schlechter im Nutri-Score ab, wobei es Unterschiede gibt: mageres Rinderfilet kann durchaus ein A erhalten, während Schweinefleisch eher bei C liegt.
Nun zu der eigentlichen Berechnungsregel für rotes Fleisch: es ist ganz einfach, die Bonuspunkte für Protein bleiben auf 2 gedeckelt, ansonsten ist die Berechnung identisch mit der allgemeinen Berechnung.
- Also, zur Wiederholung: unser Gouda hatte 7 Bonuspunkte durch das Protein.
- Wäre er ein rotes Fleisch, hätte er nur 2 Bonuspunkte für Protein erhalten. Diese wären aber aberkannt worden.
- Wäre er weder Käse noch rotes Fleisch, also ein allgemeines Lebensmittel, hätte er wegen der allgemeinen Strafregel die 7 Bonuspunkte für Protein aberkannt bekommen.
Übrigens, der Nutri-Score Rechner zeigt an, wenn die Strafregel greift und das Protein nicht zählt. Der Balken für Protein wird trotzdem angezeigt, aber in blau, nicht grün. Und der Balken rechts daneben beginnt oben dort, wo auch der Proteinbalken beginnt, nicht am unteren Rand.
Resultat: Nutri-Score E
Es kommt zustande durch 23 Strafpunkte (rote Balken) und 7 Bonus Punkte (grüne Balken). Da die Strafpunkte die Grenze von 11 erreicht haben, werden die Proteine nicht in der Berechnung berücksichtigt (blauer Balken).
Berechnung für Getränke
Grundsätzlich zählen als Getränke: aromatisiertes Wasser, Limonaden, Säfte, Tees, Kaffee, inzwischen auch Milch, Trinkjoghurt, Kakaogetränke, Pflanzendrinks, Kaffeesahne.
Die Berechnung funktioniert im Prinzip wie bei den allgemeinen Lebensmitteln, oder besser gesagt, wie beim Käse, denn die Protein-Strafregel bei "Allgemein" gibt es bei Getränken nicht.
Es gibt allerdings zwei Unterschiede:
Zum einen sind sämtliche Schwellwerte anders. Es gibt für jedes der Elemente wie Energie, Salz usw. eine von Allgemein/Käse abweichende Punktetabelle. Auch die Tabelle, die die resultierende Punktzahl in die Nutri-Score-Buchstaben übersetzt, ist anders.
Der zweite Unterschied, ist, dass es vier Strafpunkte für den Fall gibt, dass künstliche Süßstoffe enthalten sind. Man nennt sie auch synthetische Süßstoffe. Sie haben keine bis wenige Kalorien und beeinflussen den Blutzuckerspiegel nicht signifikant. Es handelt sich um die folgenden Stoffe, und die Produkte, in denen man sie findet, werden häufig als zuckerfrei oder diätetisch bezeichnet:
- E 950 Acesulfame K
- E 951 Aspartame
- E 952 Cyclamates
- E 954 Saccharins
- E 955 Sucralose
- E 957 Thaumatin
- E 959 Neohesperidine DC
- E 960a Steviol glycosides from Stevia
- E 960b Rebaudioside from multiple gene donors expressed in Yarrowia lipolityca
- E 960c Enzymatically produced steviol glycosides
- E 961 Neotame
- E 962 Salt of aspartame-acesulfame
- E 968 Erythritol
- E 969 Advantame
Nicht dagegen mit Strafpunkten versehen sind die folgenden Stoffe, sog. Zuckeraustauschstoffe oder auch polyole Süßstoffe genannt:
- E 420 Sorbitols
- E 421 Mannitol
- E 953 Isomalt
- E 956 Alitame
- E 964 Polyglycitol syrup
- E 965 Maltitols
- E 966 Lactitol
- E 967 Xylitol
Nach so viel gruseligem E nochmals zurück zu einem richtig guten Getränk: Wasser. Ich hatte oben schon erwähnt, dass Wasser einfach den Nutri-Score A bekommt. Hier muss man sich nicht mit Punkten herumschlagen.
Berechnung für zugesetzte Fette
Hier geht es um zugesetzte Fette wie Pflanzenöle, Margarine, Butter, Sahne oder Milchprodukte. Ebenso enthalten sind pflanzliche Zubereitungen aus Soja oder Kokosnuss. Nicht aber z.B. Kaffeesahne.
Wie bei den Getränken ist es auch bei den zugesetzten Fetten so, dass es völlig unterschiedliche Tabellen mit den Schwellwerten für die Punktevergabe gibt und wiederum eine unterschiedliche Tabelle, die den resultierenden Punkten die Nutri-Score-Buchstaben zuordnet. Wie bei den allgemeinen Lebensmitteln gibt es auch eine Strafregel. Wenn es mehr als 7 Strafpunkte gibt, können die Proteine nicht ausgleichend angerechnet werden.
Und es gibt noch eine Besonderheit. Zwei der Eingabeparameter sind anders als bei den anderen Lebensmitteln:
- Erstens: die Angabe "Energie" bezieht sich nur auf die gesättigten Fette. Dahinter steckt der Zusammenhang, dass ungesättigte Fette (Omega-3 / Omega-6 Fettsäuren) positiv zu sehen sind und der damit zusammenhängende Energiegehalt nicht in Strafpunkten resultieren soll. Die Energie kann man anhand einer Formel aus den gesättigten Fetten berechnen, und zwar g/100g gesättigte Fette x 37 ergibt die Energie.
- Zweitens: an die Stelle des Eingabeparameters "gesättigte Fette in g" bei allen anderen Lebensmitteln tritt bei den zugesetzten Fetten die Angabe "'Anteil gesättigter Fette am Gesamtfett (%)"
Also, hat ein Produkt 80g Fett (natürlich immer pro 100g), davon 55g gesättigte Fettsäuren, dann ergibt sich: 55 x 37 = 2.035 als Wert für die "Energie aus gesättigten Fettsäuren". Und weiterhin 55/80 = 0,6875, also 68,75% als "Anteil gesättigter Fette am Gesamtfett".
Zusammenfassung
Es gibt drei unterschiedliche Konfigurationen (=Tabellen) für die Schwellwerte/Punktevergabe:
- Allgemein / Käse / rotes Fleisch
- Zugesetzte Fette
- Getränke
Bei Allgemein, rotem Fleisch und zugesetzten Fetten gibt es ab einer bestimmten Anzahl von Strafpunkten die Sonderregel, dass die Proteine nicht als Bonuspunkte gezählt werden.
Bei rotem Fleisch gibt es die Sonderregel, dass für Proteine eine Obergrenze von zwei Bonuspunkten besteht.
Bei Getränken gibt es die Sonderregel, dass es 4 Strafpunkte für bestimmte Süßstoffe gibt.
Bei zugesetzten Fetten gibt es die Besonderheit, dass zwei Eingabeparameter anders definiert sind.
Und abschließend: Wasser hat immer den Nutri-Score A! Guten Durst!